„Kein Frieden mit der Nato“ –
aber bitte nicht für „wahren Frieden“, „echte Sicherheit“ und „wirklich verantwortungsbewusste“ Politik
„Sicherheit“ – damit meinen westliche Staatsmänner nichts anderes und nichts Geringeres als den Respekt vor ihren Ansprüchen auf Unterordnung seitens anderer Staaten, den sie mit ihrem Militär machtvoll absichern. „Gefahren für unsere Sicherheit“ erblicken sie also stets da, wo ihnen dieser Respekt versagt wird – weil das für sie gleichbedeutend ist mit der Frage, ob nicht der Einsatz ihrer militärischen Potenziale ansteht, um fehlende Botmäßigkeit kriegerisch zu erzwingen. Kein Staat darf ein noch so desaströses Vorgehen seitens der westlichen Weltordnungsmächte zum Anlass nehmen, selber zu Gewalt zu greifen, und erst recht dulden sie keinen Widerstand vom Schlage al-Qaida oder IS, den sie als Terrorismus brandmarken: Nur dann, dann aber schon, ist die Welt „sicher“. Und was sollte „Sicherheit“ auch sonst bedeuten in einer Welt staatlicher Gewaltmonopole, die sich wechselseitig die Wirksamkeit ihrer Vernichtungsarsenale als Hebel von Weltpolitik streitig machen und mit ihrem allfälligen Gewaltgebrauch inzwischen ganze Regionen verwüstet und für die dort Ansässigen unbewohnbar gemacht haben?
„Frieden“ – um den sorgen sich gerade westliche Staaten immerzu. Zurecht! Denn sie wissen erstens, dass es Frieden nur dann gibt, wenn sie und ihresgleichen „Frieden schließen und bewahren“ – nur wer die Macht zum Kriegführen hat, der kann auch „Frieden halten“. Und von dem Frieden, den sie wirklich halten, wissen sie zweitens, worin er besteht: Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert in einer weltweiten Marktwirtschaft, in der alle Staaten als Standorte darum konkurrieren, die global erwirtschafteten Gewinne kapitalistischer Unternehmen in den Zuwachs nationaler Wachstumsbilanzen und damit gewachsener Machtquellen umzumünzen.
Globale Marktwirtschaft heißt, dass sich die Staaten den Globus mitsamt allen Ökonomien und den darin eingehausten Völkern als Macht- und Reichtumsquelle streitig machen – bis hin dazu, dass so mancher Staat von dieser Form der globalen Ökonomie gar nicht mehr leben kann und gemäß herrschaftlicher Logik auch sein Volk nicht mehr leben lässt. Sie kennen also ihren Frieden als Hort all der Gegensätze, die regelmäßig zu Kriegsgründen werden. Die dann fälligen Kriege, mit denen sie störende Machthaber und deren Ambitionen erledigen, dienen folgerichtig dazu, „Frieden zu schaffen“ – nämlich den Frieden, den sie für ihre Ambitionen brauchen und wollen. Für was eigentlich sonst als für die Beschönigung solcher Zustände sollte die Floskel „Frieden“ auch taugen? Schließlich lebt ihr erstaunlich guter Ruf nur davon, dass „Frieden“ – wie elend und mühselig das Leben in ihm auch für die meisten sein mag – „wenigstens besser ist als Krieg“, der ihm blöderweise dann doch regelmäßig auf dem Fuße folgt.
„Internationale Verantwortung“ – die lassen gerade die Führer der großen westlichen Nationen nicht schleifen, sondern nehmen sie immerzu wahr: Weil sie den ganzen Globus benutzen, sind sie für alles zuständig, was auf der Welt in zivilen und kriegerischen Fragen passiert; nichts gibt es, was sie nichts angeht, nichts, was sie nicht unter den Vorbehalt stellen, dass es ihnen passt, was da eine Staatsgewalt innerhalb oder außerhalb ihres Territoriums gegen andere oder im Verein mit anderen unternimmt.
Und wenn gegen sie doch einmal ein Staat auf seinem „Recht auf Nichteinmischung“ besteht, dann leuchten sie ihm heim. Dann blamieren sich nicht ihre weltweiten Zuständigkeitsansprüche als „Einmischung“ und „Hegemoniestreben“, sondern der Widerstand dagegen blamiert sich als Störfall ihrer Ordnung, an dem nur ein – eben! – „unverantwortlicher“ Schurke schuld sein kann.
„Sicherheit“, „Frieden“, „Verantwortung“ – diejeinigen, die sich am oft kriegerischen und auch im Frieden zumindest für die Völker nicht eben segensreichen Wirken westlicher Staaten überall auf der Welt stören, die sollten ihnen diese Titel lieber nicht streitig machen. Wegen dieser hohen Titel machen die Staaten schließlich nicht die Politik, die sie damit schönreden – also lassen sie sich auch von dem Vorwurf nicht in Verlegenheit bringen, sie würden die hohen Ideale nur im Munde führen, aber praktisch immerzu mit Füßen treten. Und mit Blick auf ihre Völker sind sich die keineswegs „selbsternannten“, sondern per Wahl legitimierten Führer des Westens offenbar sehr sicher, dass die ihr Reden von „Sicherheit“ und „Frieden“ und ganz viel „Verantwortung“ schon nicht falsch verstehen.
Statt sich in die Tasche zu lügen, „Teil einer ständigen wachsenden Bewegung“ (Aufruf) zu sein, könnten sich die Gegner von Imperialismus und Krieg irgendwann einmal die Frage stellen, aus welchen Gründen, mit welchen falschen Berechnungen sich ihre Mitbürger für eine Politik hergeben, die nicht nur Krieg als ihre planmäßige „Fortsetzung mit anderen Mitteln“ einplant, sondern schon im Frieden so manches Opfer verlangt. Statt für „Frieden und Gerechtigkeit in einer Welt ohne Ausbeutung von Mensch und Natur“ zu plädieren, also alle Ehrentitel des Imperialismus falsch zu verstehen und gegen das hochzuhalten wofür sie ersichtlich stehen, könnten sich die Empörten endlich einmal fragen, was Politikern die wirkliche Macht über Krieg und Frieden einspielt und wofür die diese Macht wirklich brauchen und gebrauchen; wo also Grund, Inhalt und Zweck moderner Machtentfaltung über alle Staatsgrenzen hinweg liegen.
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