Am 17. November wird in Göteborg die „Europäische Säule sozialer Rechte“ proklamiert. Ihr Ziel ist die Bereitstellung neuer und wirksamerer Rechte für Bürgerinnen und Bürger. Sie baut auf 20 Grundsätzen auf, welche in drei Kategorien eingeordnet sind: Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang; Faire Arbeitsbedingungen; Sozialschutz und soziale Inklusion.
Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat vorab eine Resolution beschlossen. Über deren Inhalt haben wir mit Helmut Fiedler gesprochen. Er ist beim DGB-Bayern Abteilungsleiter für grenzüberschreitende Beziehungen.
Interview – Länge: 13:32 Min – Autorin: Lena Kronauer
Zur S o z i a l s t a a t s k r i t i k des DGB 2018 anhand der Beitragsfrage
Anlässlich der von GroKo 2018 beabsichtigten Beitragssenkung:
DGB ist für Beibehaltung des Beitragsniveaus (= Stand der staatlichen
Enteignung des Lohns) zur ‘guten’ Finanzierung der Sozialleistungen
(= einzige Zumutungen für Rentner und Arbeitslose)
ARD-Teletext v. 15.4.18:
Aufgrund Plänen der Groko, Sozialbeiträge zu senken, hat DGB-Vorstandsmitglied Buntenbach vor über-
stürzten Entscheidungen gewarnt. Änderungen bei Sozialbeiträgen müssten “vernünftig geplant” werden,
damit auch langfristig anständige Leistungen bei Rente, Arbeitslosigkeit oder Weiterbildung herauskom-
Dem DGB fällt noch nicht mal die Gemeinheit auf, dass die schönen Sozialleistungen aufgrund
staatlicher Enteignung von ohnehin ärmlichen Lohneinkommen finanziert werden und zweitens
nichts zu tun haben mit irgendeinem materiellen Vorteil:
Die Lohnabhängigen vorfinanzieren aus armseligen Arbeitseinkommen eine noch deutlich mehr
mickrige Altersrente von 50 Prozent und noch weniger bezogen auf Durchschnittsnettoein-
kommen; der sagenhafte Vorteil: dauerhaft Altersarmut, die er sonst schon mal allerdings nicht
als solche kritisiert – nämlich wie diese systematisch mit der Konstruktion des gesetzlichen
Rentensystems angelegt ist -, sondern von einem sozialpolitischen Moralismus her, dass man an
elenden Renten nicht wiedererkenne die ‘Anerkennung von Lebensleistung’, bei prinzipieller Fort-
dauer des Setzens auf Altersdiät.
Arbeitslosigkeit entspringt einer Notlage, wegen mangelnder Rentabilität von Geschäftsleuten
nicht gebraucht zu werden. Statt Kritik an den materiell verheerenden Konsequenzen der Ab-
hängigkeit von den Geschäftsrechnungen der Unternehmer: das Setzen außer Lohn und Brot
müsse “anständig” dotierbar bleiben, wo dann alles in Ordnung geht, was als Erpressungshe-
bel gegen Erwerbslose eingesetzt wird. Nämlich: Dotierung deutlich unter früherem Netto-
Arbeitseinkommen; Verpflichtung, fast jede Arbeit anzunehmen; vermehrter Druck durch Hartz IV-
Aussicht nach 1 Jahr Arbeitslosengeld I – Bezug.
Weiterbildung ist eine Verpflichtung, sich dem Geschäftsbedarf, der die Leute gerade eben für
ökonomisch unbrauchbar erklärt hat, zu akkommodieren, darüber die Anstachelung der Kon-
kurrenz gegen andere Erwerbslose und Noch-Beschäftigte, also die Bereitstellung von Auslese-
material fürs Kapital ohne Aussicht auf erfolgreicher Ausstecherei auf dem Arbeitsmarkt bzw.
wenn: mit der Folge, dass andere per Entlassungen oder sonstwie, nämlich in Form materieller
Anspruchslosigkeit oder Mehrleistungen für den Betrieb, das Nachsehen haben.
Noch nicht mal die Entlastungswirkung von Sozialbeitragssenkungen bei den Löhnen verbucht
der DGB als klitze-kleinen Vorteil. Stattdessen Parteinahme für Belastungen auf bisherigem Le-
vel, sodass bei den Gewerkschaften alles Kopf steht: die ‘Leistungen’ als einzige Zumutungen
für die Leute haben es ihnen angetan.
Um Missverständnissen vorzubeugen: des Regierungs Interesse ist ebenso wenig irgendeine,
wohl sowieso kaum messbare Entlastung für diejenigen, an denen sich der Staat, fest implemen-
tier als Steuer- und Abgabensystem, weiterhin kräftig bedient: eher zielt die Beitragssenkung
auf die Lieblingsbürger der Nation, die Unternehmer, von wegen Entlastung bei den ‘Lohn-
nebenkosten’. Die brummende Konjunktur macht es möglich und zugleich, dass die Gelder dem
Staatshaushalt bzw. Renten- oder Arbeitslosenkasse trotz Beitragssenkung eingespielt werden,
die für die Betreuung von Rentnern und Arbeitslosen für erforderlich gehalten werden.