Gegen den Schweigemarsch von christlich-fundamentalistischen Irrlichtern am 28. Februar 2015
Aufruf der feminist subversion
Liebe Genoss_innen,
am 28.2. wollen um 17:45 Uhr christliche Fundamentalist_innen durch München laufen und eine „Lichterkette für die Ungeborenen“ veranstalten. Dies ist aus queerfeministischer und antifaschistischer Perspektive auf keinen Fall hinnehmbar, weshalb zu vielfältigen und entschlossenen Protesten gegen die Fundis von „Jugend für das Leben“, „Aktion Lebensrecht für Alle“ und Co. aufgerufen wird!
Geht am 28.2. für ein selbstbestimmtes Leben auf die Straße!
Break the silence! Break the chains!
Gegen reaktionäre Lichterketten-Schweigemarsch-Umtriebe in München!
Da 2015 anscheinend alle christlich-fundamentalistischen, rechten, antifeministischen, ausschließenden und menschenfeindlichen Wesen aus ihren Löchern gekrochen kommen, haben sich die Abtreibungsgegner_innen der Gruppe „Jugend für das Leben“ (kurz: „JfdL“) nun überlegt, auch wieder mitzumischen im Kochtopf reaktionärer Events. Deshalb möchten sie nun selbst aktiv werden mit einer „Lichterkette für die Ungeborenen“, die am 28. Februar in München veranstaltet werden soll.
Um 17:45 Uhr planen die fundamental-christlichen Gestalten sich am Maxmonument in der Maximilianstraße zu versammeln und von dort aus als „Schweigemarsch“ zum Odeonsplatz zu laufen, wo um 18:30 Uhr eine Abschlusskundgebung stattfindet. Der ganze reaktionäre Bockmist soll in einem Gottesdienst in der Kirche St. Ludwig um 19:30 Uhr enden – so wahr ihnen Gott helfe.
Licht in der Hand – nicht im Kopf
Die „Jugend für das Leben“ setzt sich gegen das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch auf viele verschiedene – allesamt selbstverständlich reaktionäre – Arten und Weisen ein. Sie beteiligt sich an den „1000-Kreuze-Märschen“ oder den sog. „Marsch für das Leben“-Veranstaltungen der vergangenen Jahre, bei denen christliche Fundamentalist_innen und Rechtsradikale gegen das Recht auf Abtreibung demonstrierten, indem sie Rosen in Flüsse als Symbol für die „im Mutterleib ermordeten Kinder“ warfen oder mit weißen Holzkreuzen durch Städte liefen.
Die „Jugend für das Leben“ reiht sich ein in das Gesocks aus selbsternannten „Lebensschützern“, radikalen Abtreibungsgegner_innen, christlichen Fundamentalist_innen und rechtsoffenen Spinner_innen, die der Ansicht sind, Abtreibungen beförderten den „Volkstod“.
All diese Organisationen eint ein radikaler Antifeminismus, die Verbreitung sexistischer Rollenzuschreibungen und die Ablehnung von allem, was nicht nach kleinbürgerlichem Familienleben klingt – also natürlich auch Homo-/Bi-/Pan-Sexualität.
Die Aktivitäten der „Jugend für das Leben“ und ihrer Unterstützer_innenorganisationen – die „Aktion Lebensrecht für Alle“ (kurz: „ALfA“) ist hier in besonderem Maße zu nennen, unter deren Dach sich die „JfdL“ entwickelte – beinhalten regelmäßige Märsche für „ungeborenes Leben“, vermeintliche „Aufklärungsarbeit“ an Ständen auf Messen oder an Schulen, die darauf abzielt, Abtreibungen und tatsächliche sexuelle Aufklärung zu verhindern, Frauen* klarzumachen, dass sie Pflichten, aber keine Rechte haben und junge Anhänger_innen zu gewinnen. Außerdem veranstalten einige dieser Organisationen regelmäßig vor Abtreibungskliniken eine sogenannte „Gehsteigberatung“. Diese besteht darin, Frauen* Embryonen in die Hand zu drücken, sie systematisch psychisch zu erpressen und zu terrorisieren und am Betreten von Abtreibungskliniken zu hindern – wenn nötig, auch mit Gewalt.
Für die Freiheit, für das Leben – Selbstbestimmung muss es geben!
In der Ideologie der antifeministischen Abtreibungsgegner_innen stellt jede Abtreibung, also die Entfernung eines Zellhaufens ohne zentrales Nervensystem aus dem Körper einer Frau einen Mord dar – einen Mord, dem man mit Lichterketten mehrfach gedenken solle.
Hier wird Frauen* ein fundamentales Recht auf die Selbstbestimmung über ihren* eigenen Körper abgesprochen, für viele Abtreibungsgegner_innen stellt selbst Verhütung schon einen Akt des Mordes dar. Frauen* werden auf ihren Körper und dessen potenzielle Fähigkeit, Kinder zu kriegen und großzuziehen, reduziert und auf Mutterrolle und Reproduktionsarbeit festgelegt. Sie werden zu Gebärmaschinen und Brutkästen deklariert, deren einzige Aufgabe es sei, Kinder auf die Welt zu bringen.
Selbstverwirklichung, eigene Rechte, Wünsche, Bedürfnisse und Lebensvorstellungen und auch die Umstände, unter denen eine Schwangerschaft zustande kam – ob dies beispielsweise freiwillig oder unter Gewaltanwendung, wie bei einer Vergewaltigung, passierte: Das alles spielt dabei keine Rolle.
Wichtig ist der „Lebensschutz“, aber nur der auf den Fötus bezogene, versteht sich ja von selbst.
Die Rolle sexueller Aktivität ist nach deren Ansicht prinzipiell nur dann legitim, wenn sie Nutzen/Kinder bringt, da Sex alles machen darf – bloß keinen Spaß. Somit werden andere Formen des sexuellen Begehrens oder sexueller Aktivität, als die Ejakulation in der Vagina, von vorneherein verurteilt, da dabei keine Kinderzeugung ermöglicht wird.
Wir scheißen auf den „Volkskörper“!
Meist wird die konstruierte Verantwortung der Kinderzeugung verknüpft mit völkischer Ideologie und der Forderung nach „Erhaltung des eigenen Volkes“, oder dem Widerstand gegen den „Volkstod im Mutterleib“, über den die „ALfA“ so gerne schwadroniert. Dass die Nähe zu solchen Kamerad_innen auch von Nazis gesucht wird und sie bei den Aktionen gerne mitmarschieren, ist bei einer derart nazistischen Wortwahl keine große Überraschung. Aber auch sonst finden Rechte leicht Anknüpfungspunkte zu den Abtreibungsgegner_innen: Das Hochhalten des „Abendlandes“ mit seiner „christlichen Kultur“, die Forderung nach mehr deutschen, weißen Kindern zum Schutz von „Heimat und Vaterland“, die rassistischen und sexistischen Ausgrenzungsmechanismen, die bei den Fundis an der Tagesordnung stehen. Wo „JfdL“, „ALfA“ und andere Anti-Choice-Organisationen herumwuseln, sind meist auch Karl Richter, Nazistadtrat und Vorsitzender der Bürgerinitiative Ausländerstopp, und andere Neonazis nicht fern, wie die Erfahrung zeigt. Der „Volkskörper“, die Gemeinschaft ist in der Ideologie von Nazis, aber auch in der Ideologie der Lebensschützer_innen, was zählt, nicht der einzelne individuelle Körper des Menschen. Letztendlich fällt auf, dass bei all diesen Organisationen – ob völkisch, neonazistisch oder christlich-fundamentalistisch ihr Kampf gegen jeden modernen Gedanken, ihre strikte Ablehnung von Emanzipation ein entscheidendes Moment ist. Das ständige Beteuern der eigenen Angst vor Veränderung und das sich krampfhaft an „Tradition“ und „Das war schon immer so“ Klammern steht im Widerspruch zu dem, was wissenschaftliche Theorien der letzten Jahrzehnte geleistet haben im Bezug auf Fragen nach Gender und queeren Praxen. Nazis und Fundis sehen sich bedroht in ihren sicher und feststehend geglaubten Kategorien, wenn von Gleichberechtigung oder gesellschaftlicher Hervorbringung von Geschlecht die Rede ist. Ihr als fester Bestandteil der Ideologie funktionierendes Rollendenken gerät auf diese Art und Weise ins Wanken, wenn eine Brüchigkeit der Kategorien zu Tage tritt.
Irrlichter-Potenzial gibt es überall!
Es ist jedoch ein Fehler zu glauben, Abtreibungsgegner_innen wären eine isolierte Gruppe, die ab und zu mit Nazis als Häufchen durch die Straßen laufen oder in Kirchen Gottesdienste abhalten. Dies zeigte sich jüngst, als die CSU für das Amt der_des Gesundheits- und Umweltreferentin_en, in dessen_deren Aufgabenbereich auch die Schwangerschaftsberatung fällt, Jürgen Hollemann, ein Mitglied der „ALfA“, aufstellte. Als seine Mitgliedschaft bekannt wurde und er seine Kandidatur zurückzog, fiel dem Münchner Bürgermeister Josef Schmid nichts Besseres ein, als den Vorfall abzutun mit den Worten, man müsse „die Kirche im Dorf lassen“. Dies stellt einerseits eine Verharmlosung von Abtreibungsgegner_innen und deren Gefahr, die sie besonders dann sind, wenn sie in der Schwangerschaftsberatung mitmischen, dar, andererseits zeigt es deutlich die Position der CSU in Sachen Abtreibung und Frauen* recht. Diese Partei, aber auch viele andere, sowie Institutionen und Organisationen sehen immer noch keine Notwendigkeit darin, Frauen* ein uneingeschränktes Recht auf Schwangerschaftsabbruch, ein Recht am eigenen Körper zuzustehen und sich gegen menschenfeindliche Hetze von christlichen Fundamentalist_innen zu positionieren.
In weiten Teilen der Gesellschaft sind reaktionäre Meinungen verankert, die regelmäßig Zuspruch von Parteien erlangen und sich dadurch noch bestätigter sehen. Dies wird deutlich, wenn die Anti-Choice-Aktivist_innen an Schulen in regulären Unterrichtsstunden ihre menschenfeindliche Hetze verbreiten können oder auf Messen für Jugendliche regelmäßig Standplätze bekommen. Deshalb ist es auch nicht nur ein Haufen christlicher Fundis, die emanzipatorische Politik verunmöglichen wollen. Es ist ebenso die über Parteien stattfindende Politik und etwas, das als gesellschaftlicher Konsens verkauft werden soll, dem man sich entgegenstellen muss.
Es gilt, gegenüber einer von patriarchalen Strukturen durchzogenen, kapitalistischen Verwertungsgesellschaft, die Körper und damit einhergehend potenzielle Reproduktions- und Arbeitskraft fremdbestimmt sehen will, solidarisch und entschlossen zu handeln. Das beginnt im Alltag, wenn Menschen sich gegen Fremdbestimmung wenden, aber auch dann, wenn sie keine Fremdbestimmung über Andere ausüben wollen.
Entgegen aller Ansichten der Abtreibungsgegner_innen muss eine Frau*, das Recht haben, selbstbestimmt und frei über ihren* Körper zu entscheiden, was das Recht auf Abtreibung miteinschließt. Dass Abtreibung in Deutschland laut §218 immer noch eine Straftat darstellt, die lediglich straffrei ist, stellt eine konstante Untergrabung dieser Freiheit dar und unterstützt Abtreibungsgegner_innen in ihren frauen*feindlichen Ansichten. Auch der massive Rückhalt, den sogenannte „Lebensschützer“ von christlichen Kirchen erhalten, ist eine Verhöhnung der Vorstellung von einem selbstbestimmten Leben, wie wir es fordern.
Frauen* sind weder Brutkästen, noch Gebärmaschinen und kein Mensch muss sich von Staat, von Kirche und schon garnicht von frauen*verachtenden Antifeminist_innen sagen lassen, ob sie_er Kinder bekommt oder nicht und ob/wie sie_er Sexualität leben will.
Deshalb rufen wir zu vielfältigen und entschlossenen, lauten Protesten gegen den Schweigemarsch der Irrlichter am 28. Februar in München auf!
Kommt zahlreich und lasst uns den Marsch zum Höllentrip für Fundis machen!
Abtreibungsgegner_innen am 28. Februar ins Dunkle schicken!
Text- und Bildquelle: feministsubversion.blogsport.eu
2009: Der »1000-Kreuze-Marsch« durch München (Foto: Felicitas Hübner)
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