Bis zum 6. April war im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die Ausstellung „Schamlos? Sexualmoral im Wandel“ zu sehen.
Hatte noch Anfang der 1950er Jahre die Schauspielerin Hildegard Knef wegen einer kurzen Nacktszene viel Aufsehen in der Bundesrepublik erregt, erreichen heute die Schilderungen sadomasochistischer Praktiken in dem Buch „Shades of Grey“ Millionenauflagen. Noch 1973 protestierten Demonstrant*innen vermummt gegen die Entlassung eines homosexuellen Lehrers, weil sie nicht erkannt werden wollten. Heute gibt es in vielen deutschen Städten den Christopher Street Day. Homosexuelle Paare können heiraten.
Diese Beispiele offenbaren einen tiefgreifenden Wandel der Sexualmoral und des Miteinanders der Geschlechter in Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Partnerschaft und Sexualität gehören zum Intimsten des Menschen. Gleichwohl unterliegen sie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und sind damit auch Spiegel der Zeit. Sexualmoral und Geschlechterbeziehungen haben sich stark verändert. Den damit verbundenen Wertewandel beklagen die einen als Verlust von Moral und sittlicher Ordnung, andere begrüßen ihn als Ausdruck zeitgemäßer Liberalisierung und Pluralisierung der Lebensformen.
In der Bundesrepublik Deutschland sind Sexualität und Moral häufig Gegenstand öffentlicher Debatten. Beispiele wie der Kampf gegen den vermeintlichen „Schmutz und Schund“ in den 1950er Jahren, der Streit um die Reform des „Abtreibungsparagraphen“ 218 in den 1970er Jahren oder die bis in jüngste Zeit geführte Diskussion um Homosexualität zeigen, dass es bei diesen Themen nicht zuerst um Privates, sondern vielmehr um soziale Ordnungsvorstellungen und das Selbstverständnis der Gesellschaft gerungen wird.
Die DDR gilt im Vergleich zur Bundesrepublik bis heute vielen als weniger prüde. Doch auch hier herrschten eindeutige Normen und Regeln, vorgegeben von der SED. „Unsere DDR ist ein sauberer Staat“, erklärt die Partei 1965. Sie verbietet Prostitution und Pornografie, weil die Menschen „anständig“ leben sollen. Voreheliche Sexualität gilt zwar als natürlich, doch soll eine Beziehung in die Ehe münden. Frauen und Männer sind formal gleichberechtigt, aber auch in der DDR prägen traditionelle Rollenbilder die Geschlechterbeziehungen.
Die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung, die Änderung von Rollenbildern sowie die zunehmende Kommerzialisierung von Erotik und Sexualität sind nur einige Aspekte.
Den Einführungsvortrag zur Leipziger Austellung hielt der Sexualwissenschaftler und Jugendforscher Professor Dr. Kurt Starke.
Am Mittwoch, den 8. April 2015 spricht Kurt Starke von 17 bis 18 Uhr in der LORA-Sendung Soziale Welt über dieses Thema.
Bildnachweise: LORA-Archiv, christoph-links-verlag.de
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