QUEER – die kunterbunte Art zu lieben und zu leben
Der Begriff QUEER stand mal für pervers, eigenartig und zweifelhaft. Heute ist es sehr viel einfacher, sich neben der offiziellen Spur zu fühlen und zu gerieren – zumindest in der BRD und ihren Anrainer*innen-Staaten. Gar nicht gut sieht es für die queere community (zum Beispiel) in Russland aus. QUEER meint heute die LGBTI-community und steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Inter und vermischt damit noch immer sexuelle und Geschlechter-Identitäten.
Die Schreibweisen für die Geschlechter-Bezeichnungen mit dem Binnen-I, mit dem gender_gap abbildenden Unterstrich oder mit dem Gender-Sternchen sind zwar immer noch nicht allen geheuer, doch „Übung macht die Meister*in“.
Zumindest das westliche Europa kommt schrittchenweise voran. Im Jahr 2014 gewann Thomas Neuwirth als Kunstfigur Conchita Wurst den Eurovision Song Contest in Kopenhagen. Eingetragene Partnerschaften und Adoptionsmöglichkeiten für homosexuelle Paare erleichtern die abseits des Gender-Mainstreams leben Wollenden. In Frankreich wird zwar noch gegen die „Homo-Ehe“ protestiert. Doch die herkömmliche heteronormative monogame Frau-Mann-Ehe ist längst nicht mehr das einzig „Normale“. Das Leben von offenen Beziehungen, Polyamorie, Beziehungsanarchie und einem glücklichen Alleinleben sind mögliche und gute Alternativen. Kinder können mehr als eine Mutter und einen Vater haben und in sogenannten Regenbogenfamilien aufwachsen. Homosexuelle Politiker*innen können sich outen und in Hauptstädten Bürgermeister werden. Bisexualität wird zumindest bei Künstler*innen als schick und interessant machend angesehen.
Um all das und noch viel mehr wird es beim Queer Film Festival München (QFFM) gehen, das am 23. November 2016 beginnt. Es ist das erste seiner Art in München. Im April diesen Jahres gab es den Auftakt mit dem QUEER NIGHT STAND. Das seit 1991 stattfindende Bimovie nennt sich zwar immer noch „Frauenfilmreihe“, hat sich aber geschlechterpolitisch längst erweitert.
Neben einigen cineastischen Highlights aus Cannes und Berlin, die das QFFM lange vor dem Kinostart präsentiert, werden Filme gezeigt, die auf die große Leinwand gehören, die es aber ohne dieses Festival nicht in die Münchner Kinos geschafft hätten oder nicht die Aufmerksamkeit erhalten würden, die diese Filme verdienen. Ein zentraler Beweggrund für das QFFM ist der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet. Vieles galt vor kurzem als nicht hinterfragbar. Nun erscheint dieser gesellschaftliche Konsens auf einmal viel fragiler und gefährdeter.
Dieser konservativen Regression wollen sich die Festivalmacher*innen entgegenstellen. Ihr Festival ist eine Feier der Vielfalt und der Akzeptanz alternativer Lebensentwürfe. Denn gerade in der öffentlichen Akzeptanz und Sichtbarkeit queerer Kultur zeigt sich, wie es mit der Zukunft unserer offenen Gesellschaft bestellt ist: „But there is so much left to fight for!“, heißt es nicht ohne Grund am Ende von „KIKI“ (Freitag, 25. November, 22:15 Uhr im Eldorado).
Los geht es um halb 8 im City 1 mit „WHO’S GONNA LOVE ME NOW?“ von Barak und Tomer Heymann. Der Film gewann auf der Berlinale und den Lesbisch Schwulen Filmtagen (LSF) Hamburg den Publikumspreis (Mittwoch, 23. November, 19:30 Uhr im City 1 in Anwesenheit des Regisseurs und Produzenten Barak Heymann sowie Donnerstag, 24. November, 18:00 Uhr im Atelier 1).
Vielfältig und umfangreich ist das Programm, das Ludwig Sporrer und Sylva Häutle zusammengestellt haben. In den Kinos City, Atelier, Neues Maxim, Eldorado und Neues Arena werden acht Filme sowie das „BEST OF BERLIN ART FILM FESTIVAL“ gezeigt. Im Kunstverein München in der Galeriestraße 4 werden der Filmkritiker und Kurator Toby Ashraf und Jan Künemund – ebenfalls Filmkritiker – und Medienwissenschaftler in der Diskussionsrunde „GENDERSALON goes QUEER FILM FESTIVAL MÜNCHEN“ aufeinandertreffen. Der GenderSalon der LMU beschäftigt sich seit vielen Jahren mit queerfeministischen Themen. Auch in seiner 8. Auflage widmet sich der GenderSalon den Schnittstellen von Kunst, (Pop)Kultur, Politik und Wissenschaft rund um das Thema Gender (aktuelles Programm). Für die anschließende Party steht das Harry (Garry) Klein in der Sonnenstraße 8 zur fröhlichen Verfügung. Im SUB, dem Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum in der Müllerstraße 14, wird am Montag, den 28. November, innerhalb von „SPOTLIGHT POSITIV“ der Film „PrEP & HIV-Stigma“ gezeigt. Danach kann mit dem PrEP-Aktivisten und Filmemacher Nicholas Feustel, dem Arzt Ulrich Kastenbauer sowie dem Psychologen Stefan Zippel diskutiert werden.
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Die Webseite des QFFM ist wie die queere Gemeinschaft selbst. Nicht auf den ersten Klick zu durchschauen. Doch wer sich Mühe gibt, wird reichlich belohnt.
Queer Film Festival München vom 23. bis 28. November 2016
www.qffm.de
Ticketpreis: 9,50 Euro
Felicitas Hübner für artechock.de
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Zustimmung von artechock.de
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