Zur Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten – ein Kommentar von Doris Rüb

Na endlich – jetzt haben wir den Präsidenten, den Springer für uns ausgesucht hat. Im Jahr 2010 hat der damalige Chefredakteur und heutige Mitherausgeber der Welt, Thomas Schmid, ihn ins Spiel gebracht. Joachim Gauck wurde blitzschnell zum Präsidenten der Herzen. „Yes we gauck!“, war eine typische Bildschlagzeile! – Ja, das Wort „gaucken“ gibt – besser gab – es tatsächlich, auch wenn es nicht oder nicht mehr im Duden steht. In den 90er Jahren wurde so mancher Angestellte gegauckt; der Arbeitgeber fragte bei der Gauckbehörde nach ob etwas vorliegt. Gegauckt zu werden konnte also ohne weiteres das Ende der Karriere bedeuten. Das allerdings hat die Bildzeitung mit ihrer Schlagzeile ganz und gar nicht gemeint – im Gegenteil – sie wollte die Karriere ihres Schützlings erst begründen.

Davon war aber die Kanzlerin gar nicht begeistert. Mag sein, dass die FDJ-Sekretärin Angst vor den verbissenen Stasi-Jäger hatte. Vielleicht hat sie wollte einfach nur aus parteitaktischen Erwägungen keinen Kandidat von SPD und Grünen. Sie hat lieber einen eigenen Schützling, nämlich Christian Wulff, in Amt gehievt. Eigentlich hätte die Springer-Presse doch mit diesem Bundespräsidenten zufrieden sein können. Solange er Ministerpräsident war, hat die Bildzeitung schließlich ganz liebevoll seine Glitzerauftritte präsentiert. Auf diesem Posten war er erwünscht, auf dem des Bundespräsidenten offensichtlich weniger, schließlich wurde Wulff von keiner Zeitung so intensiv verfolgt wie von der Springer Presse.

Dass Wulff der einzige Politiker war, der je Geschenke angenommen hat, darf man getrost bezweifeln. Der Skandal um Wulffs Freuderl-Wirtschaft hat doch sehr stark an die Amigos von Max Streibl erinnert. Franz Josef Strauß durfte Amigos haben so viel er wollte, aber als Streibl sich die selben Privilegien herausnahm, musste er schnell zurücktreten. Es gibt also Politiker die gleicher sind als andere. 2010 war Joachim Gauck noch mal gleicher als die ganz gleichen.

Gauck hatte schließlich im Alleingang die DDR befreit, und da machte sich jeder, der etwas gegen ihn vorbrachte, sofort als Anhänger der alten SED verdächtig. Passenderweise hatte zuletzt die Linkspartei den schwarzen Peter. Warum hat sie sich auch geweigert, im letzten Wahlgang ihre Kandidatin zu Gunsten Gaucks zurückzuziehen. Dabei wurde gezielt übersehen, dass es diesen letzten Wahlgang ohne die Kandidatin der Linkspartei nie gegeben hätte – da hätte keiner der FDP-Abgeordneten sich getraut, gegen den Regierungskandidaten zu stimmen.

Diesmal ist es anders. Gauck war eigentlich schon gewählt, bevor er überhaupt seiner Kandidatur bekannt gegeben hatte. Überraschenderweise melden sich jetzt auch echte DDR-Bürgerrechtler zu Wort. Sie bezeugen alle dass sie von Gauck weder in der Friedens- noch in der Ökologikbewegung je etwas gehört hätten und dass er erst Mitte 1989 in der Bürgerrechtsbewegung aufgetaucht sei. Da war es immer noch gefährlich! Feigheit wirft ihm keiner vor, aber ein Lavieren zwischen dem SED-Regime und den Bürgerrechtlern.

Was auch immer damals war, seither hat Gauck sich als schlichter Neoliberaler profiliert. Die derzeitige Finanzmarktdebatte und damit die occupy-Bewegung ist für ihn nur unsäglich albern, und Hartz-IV-Empfänger sollen endlich aus ihrer Hängematte aufstehen. Wenn ich das lese, frage ich mich, ob der christliche Bundespräsident wohl ein Debatte zu weiteren Absenkung von Sozialleistungen anzetteln wird. Schließlich fand er es ganz in Ordnung, dass sein Fahrer nur 30 € über dem Hartz IV Satz verdiente. Der Fahrer des Bundespräsidenten bekommt hoffentlich mehr. Zu diesen Bedenken passt auch, dass Gauck das unsägliche Sarrazin-Buch für mutig hält. Wie wird der Pfarrer sich als Bundespräsident zu den Moslems mit deutschem Pass verhalten? Sein Vorgänger fand immerhin, dass der Islam genauso zu Deutschland gehört wie das Christentum und das Judentum.

Von Sarrazin hat sich Gauck inzwischen distanziert. In seiner Antrittsrede hat er auch angekündigt, dass er sich gegen Rassismus und für Integration einsetzen will, wunderbar! Solange er sich daran hält, ist es vollkommen gleichgültig, was er vorher gesagt hat und ob er das nun wirklich so meint oder eventuell aus undurchschaubaren opportunistischen Gründen tut.

Aber weniger wunderbar ist, dass er die Deutschen zu irrationalen Angsthasen erklärt hat. Nicht wörtlich natürlich, nur faktisch. Bei seinem Antrittsbesuch bei der CDU am 27.Februar, ließ er sich erst über Luxusängste wie die vor der Vogelgrippe aus. Allerdings sind die Deutschen auf diese Propaganda zumindest beim letzten Großalarm wegen Schweinegrippe nicht hereingefallen. Beim selbem Anlass kündigte Gauck an, er wolle die grassierende Angst der Deutschen vor neuen Technologien ansprechen. Dass diese Ängste höchst rational sind, mussten zumindest die Münchner vor 26 Jahren schmerzhaft erfahren. Wenn man bedenkt, dass er den Atomausstieg nach Fukushima als gefühlsduselig bezeichnet hat; was wird er dann wohl sagen wenn er mal mit Strahlenopfern konfrontiert wird?

Von vielen Seiten wird Joachim Gauck inzwischen geraten noch dazuzulernen. Albrecht Müller, der Herausgeber der Nachdenk-Seiten hat sogar ein ganzes Buch mit diesem Titel geschrieben. Warten wir einfach ab, was Gauck mit 72 noch lernen will.

Doris Rüb

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*